von Dr. Wolfgang Strickling
Am 03.10.2005 fand eine ringförmige Sonnenfinsternis statt, die u. a. in Spanien zu sehen war und dort wegen der hervorragenden Erreichbarkeit ein Ziel für viele Amateurastronomen war. In der Zentralzone lagen beispielsweise die Städte Madrid, Valencia und Alicante. Während viele Finsternisbeobachter jedoch die Zentrallinie ansteuerten, wollten ich und einige andere Beobachter an der Zone der streifenden Finsternis, an den Rändern der Zentralzone, beobachten. Dort war zwar nur eine sehr kurze oder gar keine "richtige" Ringförmigkeit zu erwarten. Aber ein relativ lang andauerndes Perlschnurphänomen und das "Umkippen" der Sichel versprachen ein interessantes Beobachtungserlebnis, das bei genauer Video-Registrierung mit exakter Zeit- und Positionsbestimmung auch wissenschaftlich wertvolle Daten liefern könnte. Mit Hilfe des Bailys-Beads-Modul von WinOccult habe ich mir einen Platz etwa 500 m nördlich der inneren südlichen Begrenzungslinie nach Espenak ausgesucht. Dort waren einige Sekunden echte Ringförmigkeit und ein interessanter Verlauf des Perlschnurphänomens zu erwarten. An der Zentrallinie dagegen läuft das Schließen und Öffnen des Ringes so schnell ab, dass man das Perlschnurphänomen kaum beobachten kann. Die etwa vier Minuten dauernde Ringförmigkeit dagegen bietet dem unbewaffneten Auge wenig Abwechslung (s. Fotomontage oben).
Günstige Unterkünfte und die Nähe zum gewünschten Beobachtungsplatz bot die Stadt Santa Pola etwas südlich von Alicante, wo ich mich mit meiner Familie für die zwei Wochen um die Finsternis einquartiert habe. Vor Ort erwies sich jedoch der angestrebte Beobachtungsplatz am Strand als nicht öffentlich zugänglich, da er auf dem abgesperrten Gelände einer Saline lag. Ein Vorsprechen beim städtischen Tourismusbüro erbrachte jedoch relativ problemlos die erwünschte Ausnahmegenehmigung und den freien Eintritt zu dem Gelände.
Während das Wetter in den
Tagen vor und auch nach der Finsternis überwiegend schön
sonnig und fast ideal zur Beobachtung war, zog am Vorabend der
Finsternis ein Tiefausläufer über Spanien, der laut
Wetterberechnungen auch am Finsternismorgen für bedeckten Himmel
im Küstenbereich sorgen sollte. Ein Blick frühmorgens aus dem
Fenster bestätigte die Befürchtungen: Kein Wolkenloch war zu
sehen! Also wurde der Wagen angeworfen und ein Platz weiter
landeinwärts angesteuert. Dort sollte das zu erwartende Aufklaren
bereits einige Stunden früher beginnen und vor dem zweiten
Kontakt für gute Durchsicht sorgen. Wir fanden uns schließlich
nach 90 Minuten Fahrt etwa 100 km in der Nähe der Stadt Jumilla
wieder. Der Gedanke an eine bezaubernde Finsternis am Strand
versickerte im Staub eines abgelegenen Ackers im Spanischen
Bergland.
Unser Beobachtungsplatz lag bei 38° 30' 14.39" Nord und 1°
19' 47.82" West in 561 m Höhe (WGS 84, gemittelt aus 4
GPS-Messungen = 38.503997°N, 1.329950° W) wie geplant etwa 500 m
nördlich der inneren südlichen Begrenzungslinie. Leider erwies
sich das Wetter doch nicht so gut, wie die Prognosen der
Wetterdienste am Vorabend erwarten ließen. Zwar war der erste
Kontakt duch ein größeres Wolkenloch gut zu beobachten, aber es
zogen immer wieder dichtere Wolkenfelder durch, so dass wir bis
zum letzten Moment um die Sichtbarkeit der Ringphase bangen
mussten. Erwartungsgemäß wurde es mit dem Verlauf der Finsternis
immer kälter. Von 17,1°C zu Beginn der partiellen Phase ging es
auf 13,2 Grad nach der Ringförmigkeit zurück. In Verbindung
mit der fehlenden Wärmestrahlung der Sonne, einem Auffrischen des
Windes und der Höhenlage überkam uns ein ziemliches Frösteln,
zumal wir uns kleidungsmäßig eher auf Strandwetter
eingestellt hatten. Unglücklicherweise fiel aber der
kontinuierliche Mitschnitt der Wettermessungen auf Festplatte
aufgrund eines Softwarefehlers aus, was ich leider erst nach der
Finsternis bemerkt hatte.
Zur Fotografie der Finsternis diente mir die
"Russentonne" MTO 11CA (Tele 10/1000) mit 2x Teleconverter auf
Fujichrome Velvia 50. Das Video nahm ich mit dem Digital-Camcorder
Sony PC 100 hinter einem 8.0/500er Spiegeltele um 45 mm
Ultima-Okular auf.
Etwa 18 Minuten vor
dem zweiten Kontakt fiel uns auch die eigenartige Lichtstimmung
auf, die ein wenig an ein aufziehendes Gewitter erinnert und die
bemerken läßt, dass selbst im vollen Sonnenlicht die Landschaft an
Brillianz verliert. Kurz vor dem zweiten Kontakt zog zum Ärgernis
der Betrachter wieder ein schmales Wolkenband durch, das die
Beobachtung und Messung vereitelte. Aber zur Mitte der Finsternis
bot sich durch die dünnen Wolken ein beeindruckendes Schauspiel:
Ein hauchdünner Feuerring, fast ohne erkannbare Dickenausdehnung
glühte am Himmel, der nach wenigen Sekunden vom Mond wieder zur
einem Hörnchen unterbrochen wurde.
Obwohl die Ringförmigkeit aufgrund der Randlage
des Beobachungsplatzes erwartungsgemäß sehr asymmetrisch
erscheinen sollte, erschien dem nur mit SoFi-Brille geschützten
Auge der Ring fast überall gleich dick und auch in etwa gleich
hell. Ich hatte subjektiv einen wesentlich ungleichmäßigeren
Eindruck erwartet, ja sogar befürchtet, dass sich der nur
Bogensekunden dünne nördliche Rand dem Auge überhaupt mehr zeigen
würde und gar nicht nicht der Eindruck eines Ringes entstehen
könnte. Aber genau das Gegenteil war der Fall! Vielleicht ist ein
Grund der, dass auch der breitere südliche Ringteil einer
maximalen Ausdehnung von 1,5 Bogenminuten nur knapp über dem
Auflösungsvermögen des menschlichen Auges lag.
Im 30x77 Feldstecher oder im Fernrohr
waren das Perlschnurphänomen, das Abschmelzen der "Bailys Beads"
durch die dünne Bewölkung wunderschön zu sehen, z. T. aber durch
dünnere Bewölkung. Die Bilder rechts und links zeigen Ausschnitte
aus dem Video, links um 09:01:06 UT, rechts um 09:01:10 UT. Eine
Auswertung und Publikation der Videoaufzeichnungen wurde durch Prof.
Sigismondi, Rom durchgeführt.
Während der zweiten partiellen Phase zogen wieder
vermehrt Wolken durch, die auch die Beobachtung des vierten
Kontaktes vereitelten. Ich habe auch ein Tuch gespannt und auf
Video aufgenommen, um evtl. auftretende fliegenden Schatten aufzunehmen,
obwohl die bei einer ringförmigen Finsternis eigentlich nicht
unbedingt auftreten sollten. Erwartungsgemäß sind auf dem Video
auch keine zu sehen, trotz Kontrastverstärkung und allem, was
diese bei der totalen SoFi 2001 so
wunderbar gezeigt hatte. Dank an Christiane Schenk für die
Überlassung ihrer Videokamera für diesen Zweck. Immerhin habe ich
zum Entsetzten meiner Frau bei dem Experiment gelernt, dass ein
Spannbetttuch eine ideale Registrierfläche für Fliegende Schatten
ist...
In Santa Pola, wenige Kilometer nördlich unseres ursprünglich anvisierten Beobachtungsplatzes, hatte sich die anfangs dichte Bewölkung inzwischen etwas aufgelockert, so dass auch dort die Finsternis durch die Wolken schön zu verfolgen war. Eine SoFi-Brille war zur Beobachtung dort unnötig (Foto © Chr. Schenk).
Aber wir waren trotzdem glücklich und zufrieden,
dass wir unsere erste ringförmige Finsternis erfolgreich
beobachten konnten und vom Zauber dieses Naturschauspiels in den
Bann gezogen worden sind. Aber zwei kleine Wermutstropfen
verbleiben: Zum einen, dass durch die Bewölkung die streifende
Bedeckung nur teilweise auszuwerten ist und zum anderen , dass die
Wettermessungen nicht gespeichert worden sind..
Die Daten dieser Finsternis, berechnet mit EclipseDroid:
Mo, 2005 - 10 - 03 ringförmige
Sonnenfinsternis
Jumilla, +38,503997° - 1,329950° Höhe:
561 m
Zeitzone: UTC +0,0 h, DeltaUTC = 64,18 s
hh:mm:ss.s Elev Azim
PW UhrP
K1: 07:41:34,2 18° 111° 310° 12,1
K2: 09:00:33,7 32° 126° 27° 9,8
M.: 09:01:03,0 32° 127° 40° 9,3
K3: 09:01:31,8 32° 127° 54° 8,9
K4: 10:28:37,5 43° 150° 131° 6,9
Aufg. Azim Kulm.
Unt Azim
06:03 94° 11:54
17:45 265°
Dauer : 00:58,2
Magnitude : 0,9514 (95,1 % Ø.)
Bedeckung : 90,4 % (Fläche)
Größenverh.: 0,9507 (Mond/Sonne)
Pfadtiefe : 2,7 %
Entf. Zentrallinie: 89 km
Entf. Grenzlinie: 2 km
Schattengeschw./Richtung: 4822 km/h, 121°
Weitere Weblinks sind in meiner Sonnen- Linkseite zu finden.
letztes Update: 25.10.2007
URL:
http://www.strickling.net/sofi2005.htm