Gedanken zum Kaufen und Verschenken von Fernrohren an Kinder
Oft werde ich nach konkreten Tipps und Hinweisen für Teleskope gefragt, die sich als Geschenk für Kinder eignen. Das Teil soll natürlich nicht sündhaft teuer sein, robust, gut zu handeln... und dann noch ein Leben lang Spaß bereiten. Eine konkrete Empfehlung auszusprechen, ist sehr schwierig, und zwar aus mehreren Gründen:
Ein Problem, das ich sowohl von meinen Kindern als aus meiner eigenen Kindheit kenne, ist der, ich nenne ihn mal einfach so, der"paradoxe-Geschenk-Effekt". Er kann schon fast den Rang eines Naturgesetzes beanspruchen:
Je besser und professioneller ein Geschenk ausfällt, umso schneller verliert der Nachwuchs die Lust daran.
Solange die Kinder irgendwie herumexperimentieren können, haben sie Spaß an einer Sache. Aber wenn dann ein teures Teleskop da herumsteht, das mit Samthandschuhen anzufassen ist und regelmäßig in kalter Nacht auszuführen ist, dann hört der Spaß leider schnell auf.
Das zweite Problem ist: Solange die Leute (nicht
nur Kinder), schöne bunte Bilder vom Hubble-Weltraumteleskop im
Hinterkopf haben, wird kein Gerät wirklich Spaß machen, es sei
denn, Sie verschenken gleich das Weltraumteleskop ...
Fakt Nummer zwei ist:
Viele Himmelsobjekte sehen auch durch ein 10.000 Euro-Gerät für den Anfänger zuerst einmal sehr enttäuschend aus.
Man sieht eigentlich nichts, solange man nicht das Sehen und Schauen gelernt hat. Deshalb verstauben heute so viele Fernrohre in Ecken und Schränken.
Ich denke, dass Kinder nicht durch eine
Materialschlacht aus Metall und Glas für einige hundert Euro zu
begeistern sind, sondern nur durch ein behutsames Heranführen,
durch Anleiten, Experimentieren etc. Ich persönlich habe als Kind
Spaß mit einem Selbstbaugerät gehabt (bestehend aus Brillengläsern
aus den Schrottkisten der Halterner Optiker, Holz, Papprollen
etc.). Das hat Spaß gemacht und war äußerst lehrreich. Statt eines kompletten Selbstbaus gibt es
natürlich auch heutzutage fertige Bausätze, z. B. von Astromedia.
Ein oder zwei passende Bücher (siehe Empfehlung unten) und so ein
Bastel-Spiegelteleskop
von
Sunwatch wären deshalb vielleicht ein ganz guter Einstieg.
Wer absolut nicht basteln will, kann man auch ein Fertiggerät wie
das Celestron
FirstScope
DOB für 60 Euro oder das Skywatcher
N
76/300 kaufen.
Wenn das Kind damit das Sehen und Schauen gelernt hat, dann kann
man immer noch überlegen, ob das Hobby anhält. Dann wäre
vielleicht vielleicht ein Dobson-Teleskop oder, für größere
Kinder, ganz vielleicht ein parallaktisch montiertes
Spiegelteleskop eine sinnvolle Investition.
Alternativ (oder ergänzend?) ist für den Einstieg ein guter Feldstecher (7x 50 oder 10 x 50 mit Stativ) nicht schlecht, denn er nutzt auch noch, selbst wenn die Begeisterung für die Sterne nicht lange anhalten sollte. Ein Fernglas hat allerdings Defizite in Bezug auf die Vergrößerung.
Zu einem Fernrohr sollte unbedingt noch das aktuelle "Himmelsjahr" aus dem Kosmos-Verlag dazuschenken. In dem Buch stehen für jeden Tag oder Monat eines Jahres die wichtigsten astronomischen Ereignisse und Sehenswürdigkeiten drin. Anderenfalls weiß kein Anfänger, was er außer dem Mond sonst noch wo beobachten kann! Als Ergänzung ist außerdem sehr gut der "Atlas für Himmelsbeobachter" von E. Karkoschka mit schönen Aufsuchkärtchen der Himmelsobjekte.
Warnen möchte ich vor diesen speziell für Anfänger beworbenen "GoTo"-Teleskopen, mit GPS und Computer. Die sollen einen automatisch die ganzen Himmelsobjekt (mindestens 10000 sind im Speicher) zeigen, ohne lange Sucherei. Klingt verlockend, nicht? Nachdem man sich durch das dicke Handbuch gequält hat, ist man aber meist mindestens so ratlos wie zuvor. Und wenn das Gerätchen dann loslegt, weiß auch niemand so richtig, was es da tut. In den seltensten Fällen das, was man von ihm erwartet. Ob es das ist, was Kinder wollten...
Bevor man aber mit dem Kauf zuschlägt, sollte man sich unbedingt meinen Grundlagenartikel über Teleskope durchlesen. Dort habe ich auch ein paar Empfehlungen zu konkreten Beispielen oder für ein bestimmtes Budget gemacht.
In der Zeitschrift "Sterne und Weltraum", Heft 11/2010 wurden vier Einsteigerteleskope in der 200-Euro Klasse von Bernd Weisheit getestet:
Die gibt es wie Sand am Meer. Ob es tadellos ist
oder Murks, sieht man ihm aber von außen in den seltensten Fällen
an, so dass der Kauf ohne Test reines Roulette ist. Da kann ich
auch keine Empfehlung geben oder Tipps, ob das in einer
Onlineauktion mit Artikelnummer soundso angepriesene Teil wirklich
gut ist. Wer es probieren will, soll es riskieren. Verkaufen kann
man es ja auf die gleiche Weise wieder und man hat weniger Verlust
gemacht, als wenn man sich ein Neugerät besorgt hat.
Vielleicht eine nette Ergänzung zu einem Teleskop
ist - vor allem für die elektronik-verliebte Generation - das "Universe2go"
(Bild links, Quelle: Astrohop.de).
Ein Augmented-Reality-Sternenführer, der unerfahrenen Nutzern die
Orientierung am Himmel erleichtert, indem in den Anblick des
Himmels Sternkarten etc. aus dem eingelegten Smartphone
eingespiegelt werden. Sonst kann die Navigation für den Anfänger
unter den Sternen schon schwierig werden.
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