von Wolfgang Strickling
Seit 2008 bin auch ich stolzer Besitzer einer digitalen Spiegelreflexkamera (DSLR). Mit diesen feinen Geräten kann man nicht nur tolle Astroaufnahmen machen, sondern es müsste auch möglich sein, die mit der Kamera gemessenen Bild- oder Sternhelligkeiten in Magnituden auszudrücken, kurz: Photometrie zu treiben. So sollte das neu erstandene Equipment für diesen Zweck herhalten, denn die Genauigkeit meiner visuellen Helligkeitsschätzungen von veränderlichen Sternen blieb doch arg hinter meinen Erwartungen zurück. Ausschlaggebend für meine Versuche war ein Beobachtungsaufruf für Epsilon Aurigae und EE Cephei von Wolfgang Quester im VDS-Journal Nr. 28 bzw. in SuW Dez. 2008. Dort wurde sogar die Verwendung einer einfachen Kompaktkamera ("Digicam") für diesen Zweck empfohlen, was auf Experimente von Bela Hassforther zurückgeht.
Eine DSLR hat gegenüber einer Kompaktkamera natürlich einige Vorteile:
Man kann die Bilder
im RAW-Format
abspeichern, was die Helligkeitsauflösung stark verbessert
(12-14 Bit
je nach Kameramodell, im Gegensatz zu 8 Bit bei JPEG-Dateien einer
Digicam, außerdem speichert JPEG in einer logarithmischen, nicht
linearen Skala)
Es stehen Optiken nach Wahl für den jeweiligen Verwendungszweck zur Verfügung.
Man hat die volle Kontrolle über Kameraeinstellungen wie Belichtungszeiten, Empfindlichkeit, Brennweite und Fokus
Wenn die Bilder schließlich im Kasten sind, müssen sie allerdings mit einer geeigneten Software ausgewertet werden. Und da fing das Problem für mich an. Viele Beobachter nutzen Muniwin für die Auswertung, aber die Software benötigte seinerzeit Bilder im FITS-Format und verarbeitet keine RAW-Dateien. Inzwischen soll Muniwin aber auch in der Lage sein, Canon-RAW-Dateien zu verarbeiten. Eine Konversion der Raw-Dateien mit anderen Programmen scheiterte an fehlender Kompatibilität bei der Skalierung der Bilder und den Zeitmarken. So bin ich bei IRIS gelandet. Diese Freeware kann auch RAW-Dateien importieren, sie eignet sich nicht nur für die Photometrie, sondern sie deckt fast alle Bereiche der astronomischen Bildbearbeitung ab, einschließlich der Spektralanalyse. Sie hat jedoch eine Hürde: Die Bedienung ist schwer gewöhnungsbedürftig und für Einsteiger etwas haarig. Dank von Carsten Moos für seine bereitwillige Hilfestellung bei der Einarbeitung! Meine Erfahrungen möchte ich deshalb hier anderen potenziellen Einsteigern weitergeben, nach Art eines Kochbuches.
Nach der Installation von IRIS sollte man zuerst die persönlichen Einstellungen (unter File | Settings) zu Verzeichnissen, Dateiformaten etc. abspeichern. Ich habe als Standard-Dateiformat das IRIS-proprietäre Format PIC gewählt, FITS funktioniert auch, dauert nur ein wenig länger. Danach stellt man über das Kamerasymbol in der Werkzeugleiste (im roten Kreis in Bild rechts) das korrekte eigene Kameramodell (z. B. Canon 450D) ein, damit IRIS das richtige RAW-Dateiformat erkennt.
Dann geht es an die eigentliche Bearbeitung. Wie erwähnt, importiert IRIS zwar RAW-Bilder, verarbeitet sie dann aber im eigenen CFA-Format bzw. in FITS-Format weiter. Solange das Bild nicht in RGB Konvertiert wurde, ist es ein unkomprimiertes Graustufenbild, ohne Auflösung der Bayer-Maske. Nach RGB-Konvertierung sind die Bilder dann noch einmal dreimal so groß, da jedem Pixel drei Farbkanäle zugewiesen werden. Alle folgenden Bearbeitungsschritte erzeugen deshalb relativ große Dateien.
Zur Vorbereitung der
Photometrie führt man folgende Bearbeitungsschritte durch, die
alle
über das "Digital Photo" Menü erreichbar sind:
1.
Zuerst müssen die RAW-Bilder decodiert werden. Dazu "Decode
RAW Files" anwählen. Es öffnet sich ein Fenster, in
das man alle RAW-Dateien aus dem Windows-Explorer hineinziehen kann.
Unter "Name" ist der Dateiname der zu erzeugenden PIC-Datei anzugeben,
z. B. "Var". Bei Druck auf "-> CFA" werden die
RAW-Bilder dekodiert, in unserem Beispiel erzeugt IRIS dann Var1.pic,
Var2.pic usw.
Danach Schließen des Fensters mit "Done". Die Bilder werden in dem
Verzeichnis gespeichert, das man in den Einstellungen angegeben hat.
Falls das Verzeicnis nicht existiert, kommt es zu einer Fehlermeldung,
deshalb unbedingt das Verzeichnis angeben. Liegen die Bilder schon aus
einer Bildverarbeitung im TIF- oder JPG-Format vor, kann man sie mit
File|Select files in das Gewünschte Format (CFA oder FITS) konvertieren.
2.
Wenn die Kamera keinen internen Darkabzug hat, oder dieser nicht
verwendet wurde, sollte man unbedingt ein Masterdark erstellen, das
später von den eigentlichen Fotos abgezogen wird. Hierdurch
werden Hotpixel, Hintergrundschleier und das sog. Verstärkerglühen
eliminiert. Dazu macht man mindestens 10 Belichtungen mit gleicher
Belichtungszeit und Empfindlichkeit wie die Sternaufnahmen, aber mit
geschlossenem
Objektivdeckel. Für jede
Empfindlichkeits-Belichtungszeitkombination braucht man ein eigenes
Masterdark! Den Offset erhält man aus einem Offset-Bild,
das ein Dunkelbild mit sehr kurzer Belichtungszeit ist. Es zeigt den
Grundhintergrund einer praktisch unbelichteten Aufnahme.
Der Offset ist übrigens bei Iris vom Masterdark schon abgezogen weshalb
eine reine Dark-Korrektur vom Bild keinen Offset mehr abzieht.
Wegen des umständlichen Vorgehens ist der interne
Darkabzug, den einige Kameras
bieten, sicherlich der einfachere Weg.
Für die Fotometrie braucht
man dagegen noch ein Flatfield-Bild, um Vignettierungen zu beseitigen.
Dazu
fotografiert man mit der gleichen Optik, mit der man den
Veränderlichen beobachtet, eine gleichmäßig
ausgeleuchtete Fläche. Dateiname für das Flatbild z. B. "Flat", was
eine Datei "Flat.pic" erzeugt. Gut ist es, einen Masteroffset
einzusetzen, der vom Flat abgezogen wird. Beim skyflat , also ein
Flatfield vom blauen Himmel,
kommt der rote Kanal zu kurz und liegt am Bildrand in seiner Helligkeit
her nur leicht über dem Offset, was beim Dividieren durch den flat zu
Fehlern führt. Deshalb ist es auch günstig, das Flatfield mit dem
Kommando GREY_FLAT in der Kommandozeile (Über Schaltfläche im grünen Kreis im Bild
oben) farblich einheitlich zu skalieren.
Der Masterflat und der Masteroffset können mehrmals wiederverwendet
werden, der MasterDark evtl auch.
Für
die
Erstellung von Dark- Flat oder Offset-Masterbildern muss man die
Schritte 1 und 2 jeweils für die einzelnen Dark-, Flat oder
Offset-Aufnahmen durchführen. Um Rauschen möglichst zu reduzieren,
sollten jeweils mindestens 10 Dark- Flat oder Offset-Aufnahmen zur
Erzeugung eines Masterdark- Masterflat oder Masteroffset verwendet
werden.
3.
Jetzt geht es an die eigentlichen Fotos von dem Veränderlichen, auch
hier
startet man auch wieder mit Punkt 1: Decodierung der RAW-Bilder,
danach ggf. Abzug des Darkbildes (Punkt 3), wenn das nicht die Kamera
schon intern getan hat. Der Abzug eines Offsets ist m. E. für die
Photometrie nicht erforderlich.
4. Nun müssen die
Bilder
durch das zuvor erstellte Flatfield dividiert werden. Man gibt den
Namen der Bilddateien an, in unserem Beispiel "Var", und
"Flat", für das Ergebnis z. B. "VarF".
Zusätzlich ist noch die Anzahl der zu bearbeitenden Bilder einzugeben.
5.
Die bisherigen Arbeitsschritte behandelten noch sogenannte CFA-Bilder,
die keine
RGB-Farbbilder o. ä. sind, sondern ein Abbild des Fotos mit der
Bayer-Matrix
auf dem Sensor darstellen. Deshalb sehen die Bilder, wenn man sie mit
"File | Load" oder "Load Raw File" in IRIS lädt,
etwas merkwürdig pixelig aus. Diese Bilder muss man erst in
RGB-Bilder umrechnen, was normalerweise eine Bildbearbeitungssoftware
oder die Kamera bei JPEG-Bildern unbemerkt erledigt. Dieses geschieht
in Schritt 5.
Beispiele für Dateinamen: Generic input
name "VarF", Generic output name "VarRGB",
Output files type "Color" anklicken!
6. Wenn die Bildserien nicht exakt deckungsgleich sind, müssen sie erst vorher zentriert werden,
was in IRIS "Stellar registration" heißt und sich
unter dem Menüpunkt "Processing" verbirgt. Diese
Zentrierung ist allerdings recht rechenintensiv. Für größere
Zentrierfehler muss man m. E. als Methode "Global matching"
wählen, kleinere Korrekturen könnten mit "one star" erfolgen. Dazu
markiert man mit der Maus ein Zielfeld um einen helleren, einzelnen und
nicht gesättigten Stern, das mindestens so groß wie die Verschiebung
der Bilder ist. Dieses Verfahren ist wesentlich schneller als "Global
matching".
Die Zentrierung darf erst nach der Flatfieldkorrektur
und nach der RGB Konversion erfolgen!
7. Für
verwertbare Veränderlichenphotometrie ist ein standardisierter
Spektralbereich wünschenswert. Ein RGB-Bild entspricht aber
keinem photometrischen Standard. Dagegen entspricht der Grünkanal
(s. Beitrag
von Des Loughney und Richard Miles) in etwa dem Johnson V-Band.
Dazu muss der
Grünkanal aus den RGB- Bildern mit "Sequence RGB
separation" entfernt werden. Da man die Rot- und Blaukanäle
nicht benötigt, kann man sie z. B. mit "x" benennen
und hinterher löschen. Wieder Anzahl der Bilder korrekt
eintragen.
Jetzt liegt die Bildserie fertig vorbereitet als kalibrierte Grünkanalserie vor, so dass man mit der Photometrie anfangen kann.
Zuerst sollte man sich
eines der Grünbilder mit "File | Load" laden. Mit dem
Schwellwertregler (Threshold) kann man den Dynamikbereich vernünftig
einstellen, am einfachsten mit Klick auf "Auto".
Dann
zieht man mit der linken Maustaste ein kleines
Viereck um den zu messenden Stern auf und klickt mit der rechten
Maustaste in das Viereck. Es erscheint ein kleines Infofenster, aus
dem man die Halbwertsbreite (FWHM) des Sternscheibchens ermittelt.
Der Eineinhalb- bis zweifache Wert dieses Sternscheibchens sollte als
Größe des Messfeldes in der nachfolgenden Photometrie
angeben werden.
Man
kann zwar eine automatische Photometrie an ganzen Bildserien
durchführen, aber für das erste Mal ist es sinnvoll, einmal das
Vorgehen an einem Beispiel per Hand durchzuspielen.
Dazu
klickt
man auf "Analysis | Aperture Photometry".
Im folgenden
"Aperture Photometry"-Fenster wählt man die
Dreikreismethode (Circle number 3) und "Median Background". Für Radius
1, das ist die Photometrieöffnung (Roter Pfeil), wählt
man als Größenangabe wie beschrieben die Eineinhalb- bis zweifache FWHM.
Zwischen
Radius 2 und Radius 3 (gelb) liegt ein Messfeld zur Beurteilung der
Hintergrundhelligkeit, die von IRIS vom Messergebnis abgezogen werden
muss. Radius 2 sollte etwas größer als Radius 1
sein, so dass kein Sternlicht darauffällt. Radius 3 genügend groß sein,
um den Hintergrund ausreichend zu messen, darf aber keinesfalls
benachbarte Sterne einkreisen. Eine optional eingegebene Magnitude
constant wird zum gemessenen Wert addiert. Damit kann man negative
Helligkeitswerte vermeiden und "schönere" oder besser angepasste Werte bekommen.
Nach Klick auf OK (Grün)
verwandelt
sich der Mauszeiger in ein Zielkreuz mit den Messkreisen, Klick auf
einen Stern zeigt die Messwerte im "Output"-Fenster.
7.
Mit diesem Hintergrundwissen kann man sich an die Photometrie einer
ganzen Serie machen. Dazu muss man zuerst die zu messenden Sterne
auswählen, indem man ein Bild der Serie öffnet und mit
"Analysis | Select Objects" bis zu fünf Sterne
nacheinander anklickt. Der Veränderliche sollte Objekt 1 sein.
Dummerweise funktioniert die Objektauswahl nicht, wenn man
eine
Zoomstufe gewählt hat (s. orangefarbene Markierung im Bild
links), es muss "x1" ausgewählt sein, was die
Navigation im Bild mitunter unnötig erschwert.
Nach durchgeführter
Objektauswahl wählt man "Analysis | Select Objects"
wieder ab und kann "Analysis | Automatic photometry"
auswählen.
8.
Hier ist wieder der Dateiname und die Bildanzahl gefragt. Ebenfalls
sind "Magnitude output" und "No matching"
anzuhaken. Wenn gewünscht, kann man noch eine Magnitude constant
eintragen. Die vorher ausgewählten Objekte sind bereits
eingetragen. Unten sind noch die Radien für die
Aperturphotometrie wie oben beschrieben einzutragen, dann kann es
losgehen! Ein Klick auf OK startet die Messung, das Ergebnis
erscheint im Output-Fenster und sieht z. B. aus wie:
Object # 1 2233 1500
Object # 2 2050 1056
Object # 3 466 1980
Object # 4 1811 1923
Object # 5 2183 1019
2454857.43984 3.374 3.458 2.196 0.644 4.264
2454857.4404167 3.336 3.469 2.159 0.635 4.254
2454857.4409838 3.377 3.459 2.179 0.638 4.265
Mean : -3.0508 - Deviation : 0.0149
Diese automatische Messung funktioniert natürlich nur, wenn alle
Bilder exakt deckungsgleich sind, d. h. gut nachgeführt wurde.
Ist das nicht der Fall, müssen sie, wie unter Vorbereitung Punkt 6. beschrieben, registriert und zentriert werden.
Die ausgegebene Deviation zeigt die Güte
der
Messungen an, wahrscheinlich ist sie die Standardabweichung der Differenz aus
Objekt1 - Objekt2. Möchte man schöne Lichtkurven von
Veränderlichen erzeugen, importiert man das Messergebnis in eine
Tabellenkalkulation zur weiteren Verarbeitung.
Als Beispiel
zeige ich hier die
Lichtkurve des Delta-Scuti-Sternes V474 Mon.
Links ein Plot
der
Einzelwerte, rechts die Mittelung aus drei Vergleichssternen und
gleitendes Mittel über 5 Messungen. Durch Mittelwertbildung kann
man das Rauschen deutlich reduzieren.
Ein Klick in die
Graphik zeigt
eine vergrößerte Darstellung.
Daten:
180 Messungen mit Canon
EOS 450D, Objektiv Tamron 90 mm bei f/4, Belichtung 30 s bei ISO 200,
interner Darkabzug. Datum: 2009-01-25, Zeit UTC
Die Wellen in der
Lichtkurve wurden wahrscheinlich von durchziehenden Cirruswolken
verursacht. Für eine Amplitude von nur 0.25 mag ist das Ergebnis in
Anbetracht der Wetterverhältnisse schon befriedigend.
Links: V474 Mon (oberer Stern) im Minimum
(links) und im Maximum (rechts) . Der untere Stern ist 2 Mon.
Man kann die Genauigkeit durch eine Verlängerung der Belichtungszeit noch erhöhen. Allerdings darf kein Stern in die Nähe der Sättigung des Sensors kommen! Um das zu vermeiden, stelle ich bei der Messung von helleren Sternen ein wenig unscharf, so dass die Bildgrößen (FWHM) etwa 10 Pixel erreichen. Damit erreicht man ein deutlich besseres Messsignal mit geringerer Streuung als mit knackig scharfen Bildern!
Ein anderes Beispiel, als Härtetest, war die Photometrie des Sterns Beta Cas mit einer Amplitude von nur ca. 0.025 mag, s. Abb links. Bei so geringen Amplituden muss man Drifts durch veränderliche Referenzsterne und Extinktionsunterschiede mit berücksichtigen.
Optik: Tamron 90 mm f/4 mit Canon ESO 450d bei ISO 100, 20 s Belichtung, interner Darkabzug, Verwendung nur des Grünkanals, Mittlung von jeweils 21 Aufnahmen.
Ein Problem mit DSLR-Kameras müsste noch
einmal
etwas näher untersucht werden: Die Nichtlinearität der
Empfindlichkeit.
Im Gegensatz zu "wissenschaftlichen"
CCD-Kameras
verfügen die Sensoren von Digitalkameras über ein sog.
Anti-Blooming-Gate,
der "Ausbluten" heller Sterne zwar verhindert, aber auch
dafür sorgt, dass die gemessene Intensität nicht mehr linear mit der
eingestrahlten Lichtmenge zunimmt. Aus diesem Grunde sollten
Veränderlicher und Vergleichsstern ungefähr gleich hell
sein.
Ein zweites Problem kann entstehen, wenn Stern und Vergleichsstern unterschiedliche Farben haben. Dann kommt es ebenfalls zu Fehlmessungen, denn leider entspricht der Grünkanal nicht exakt dem Johnson V-Filterband.
© Dr. Wolfgang Strickling, Drususstr. 15, 45721 Haltern am See. Tel: (0 23 64) 16 76 91
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