Doppelsterne im Wohnzimmer

von Dr. Wolfgang Strickling

Dieser Text wurde zuerst in Andromeda Nr. 2 / 1992, der Zeitschrift der Sternfreunde Müster, veröffentlicht.


Wie oft müssen wir leidgeplagten Amateurastronomen und Sternfreunde über schlechtes Wetter, lange Dämmerung oder hohe Luftunruhe klagen und schweren Herzens die Teleskope unbenutzt in ihren Kisten verpackt lassen. Seitdem die Mitnahme von Fernrohren in das Planetarium verboten ist, bleibt uns eigentlich nur noch die Möglichkeit, unserem Weltenschöpfer ein bisschen auf die Sprünge zu helfen und unseren eigenen Sternenhimmel im Wohnzimmer aufzubauen, dann lassen sich die Ausfallzeiten in Grenzen halten.

Aber Spaß beiseite, wie testet man eigentlich ein Fernrohr? Am besten natürlich am Himmel an Mond, Planeten, Deep-Sky-Objekten und an engen Doppelsternen. Aber wie das Schicksal so will (siehe oben), machen sich diese Objekte oft allzu rar, vor allem die Luftunruhe macht einem oft einen Strich durch die Rechnung, wenn es darum geht, die vielzitierten Beugungsringe eines Fernrohres auf optische Mängel hin abzuklopfen.

Die Lösung wäre eine oder mehrere künstliche Punktquellen mit definierten optischen Eigenschaften.

Die Rohstoffe für solch einen Sternenhimmel hat eigentlich jeder im Haus: eine Taschenlampe (am besten mit Linsenbirne), etwas Alufolie und eine Papp- oder Plastikhülse zum Aufschieben auf die Lampe. Mit einer feinen Nadelspitze sticht man feine Löcher in die Folie und befestigt das Ganze mit Hilfe der Hülse direkt vor der Glühbirne der Taschenlampe. Das war's!

Der Winkel W in Bogensekunden, unter dem zwei Punkte im Abstand A (in Millimetern) aus der Entfernung E (in Metern) erscheinen beträgt dabei etwa:

W = 200 x A / E

Für Freaks: Die exakte Formel lautet w = 2 x ArcTan (a / 2e)
w in Grad oder Bogenmaß, a und e in Metern

Die gleiche Formel gilt natürlich auch für die Größe der Nadellöcher, für A = 1 mm und eine Entfernung von 10 m sind das also noch stattliche 20 Bogensekunden!

Will man also in den Grenzbereich gängiger Amateurteleskope vordringen (etwa 1 bis 2 Bogensekunden), so sollten die Löcher erstens möglichst klein sein und am besten die Sterne noch optisch verkleinert werden können. Ein kurzbrennweiteiges Okular (ca. 10 mm) erledigt so etwas im Schlaf, man muss es nur hinter der Alufolie befestigen.

Auf diese Weise kann man (sofern die Bauart der Fernrohres Einstellentferungen von einigen Metern zuläßt; also doch noch ein Pferdefuß!) ganz bequem und bei optimalen Luftbedingungen zu Hause sein Instrument bei höchster sinnvoller Vergrößerung (etwa 2 … Objetivdurchmesser) austesten. Verzerrte oder asymmmetrische Beugungsringe deuten auf eine fehlerhafte Justierung oder optische Mängel hin, eventuell kann bei ganz kurzen Einstellentferungen eine leichte Unschärfe den Beobachter darauf aufmerksam machen, dass das Gerät eigentlich auf unendlich auskorrigiert wurde. Davon hat mein 15 cm Newton auf 10 m aber noch nichts merken lassen.

Der Phantasie sind für weitere Anwendungen eigentlich keine Grenzen gesetzt, ich denke da z. B. an ein Preisausschreiben: Wer am besten die Plejaden in Alu tackert, bekommt den ersten Preis. Da braucht man ja vor der nächsten Schlechtwetterperiode keine Angst mehr zu haben!

Das ultimative Buch zum Fernrohr-Test ist übrigens: H. R. Suiter: Star testing astronomical telescopes. Erschienen bei Willman-Bell und ist neben den bekannten online-Buchläden auch bei vielen Astrohändlern oder dem Astro-Shop erhältlich (ca. DM 50 - 60,-). Für Interessierte unbedingt empfehlenswert!


En anderer, ebenfalls einfach zu realisierendern Testaufbau, nach einer Mitteilung von Karl-Ludwig Bath:

Ich beleuchte eine 4-mm-Kugellagerkugel aus dem Fahrradgeschäft, die geeignet beleuchtet und in möglichst großem Abstand vom Fernrohr als künstlicher Stern dient.
Vorteil: Keine Zwischenoptik, einfache Handhabung. Im Einzelnen:

A) Die Beleuchtung

1. Laser

Die Stahlkugel kann man mit einem Laser beleuchten und hat dann einen monochromatischen künstlichen Stern.

2. Eine Glühbirne

Für die Beurteilung von Farbfehlern verwende ich eine Glühbirne als Lichtquelle. Die kleine Birne mit bekanntem Wendeldurchmesser von z. B. 1 mm wird im Abstand 1 m vor der Stahlkugel (f = -1 mm) aufgestellt. Das virtuelle Bild der Glühwendel in der Stahlkugel ist dann 1 Mikrometer groß, also weit unter der erforderlichen Größe. Bei anderen Abmessungen ergibt sich ein künstlicher Stern entsprechender Größe.

3. Zwei Glühbirnen

Zwei Glühbirnen in definiertem seitlichen Abstand ergeben einen Doppelstern mit einstellbarem Abstand und ggf. Helligkeitsverhältnis.

B) Aufstellung

Ich gehe mit dem ganzen Aufbau in den Keller mit seinem 10 m langen Gang. Per Planspiegel bekomme ich dann sogar 20 m Abstand. Im Keller gibt es wenig Erschütterungen und eine stabile Luft.


© Dr. Wolfgang Strickling, Drususstr. 15, 45721 Haltern am See. Tel: (0 23 64) 16 76 91

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