Aufstellung von Fernrohrmontierungen

von Dr. Wolfgang Strickling

Inhalt:

  1. Das himmlische Koordinatensystem

  2. Justierung eines Polsuchers

  3. Schnelle Aufstellung eines Fernrohres mit Polsucher

  4. Schnelle Aufstellung eines Fernrohres ohne Polsucher

  5. Aufstellung eines Fernrohres nach Scheiner


1) Das himmlische Koordinatensystem

Bei der Handhabung einer parallaktischen Montierung ist die Kenntnis des gebräuchlichsten himmlischen Koordinatensystems recht hilfreich. Es ist das Rektaszensions- und Deklinationssystem. Genau so wie auf der Erde ein Punkt durch Angabe der geografischen Länge und Breite genau definiert ist, so ist am Himmel ein Gestirn durch Angabe von Rektaszension und Deklination genau zu lokalisieren.

Die Deklination entspricht der geografischen Breiteneinteilung und wird von -90 Grad (Südpol) über 0 (Himmelsäquator) nach +90 Grad gezählt. Der Polarstern hat also (fast) 90 Grad Deklination.

Die Rektaszension wird üblicherweise in einer Stunden- und Minutenskala von 0 bis 24 Stunden gezählt und läuft am Himmel von West über Süd nach Ost ansteigend. Der Nullpunkt ist etwas willkürlich (wie bei der geografischen Längeneinteilung) und auf den Frühlingspunkt gesetzt.

Die folgenden Größen sind für das weitere Verständnis nicht unbedingt wichtig, so dass Anfänger sie schnell wieder vergessen können!

Gelegentlich taucht noch der Stundenwinkel auf, und zwar ist das die Zeit, die seit dem letzten Meridiandurchgang (Durchgang durch den Südpunkt) vergangen ist. Wenn die Sonne also einen Stundenwinkel von 12 Stunden hat, ist genau Mitternacht. (Genaugenommen darf man nicht die Uhrzeit nehmen, sondern muss Sternzeitstunden verwenden. Soviel für Perfektionisten).

Die Sternzeit gibt an, welche Rektaszension gerade kulminiert, also genau im Süden steht. 0h Sternzeit heißt also, dass der Frühlingspunkt genau im Süden steht, bei 6 h Sternzeit geht er gerade im Westen unter.

Formel: Stundenwinkel = Sternzeit - Rektaszension


2) Die Justierung des Polsuchers (optimiert für Vixen Polsucher):

Neben den an oder in der Montierung eingebauten Polsuchern gibt es auch noch Sucherfernrohre mit Polarsternskalen (z. B. von Vixen), die auch zur Einstellung einer Montierung dienen sollen. Die Genauigkeit steht und fällt aber mit der Genauigkeit der Teilkreise (Justierung und Ablesung). Die erreichbare Aufstellgenauigkeit dürfte also deutlich schlechter ausfallen als bei den fest eingebauten Polsuchern!

Beschreibung der Montierung (Vixen New Polaris (NP), Saturn-Montierung und ähnliche):

Allgemeines zu Montierungen steht in meinem Teleskopskript!

Bei der NP-Montierung sitzt die Rektaszensionsskala (RA) auf einem drehbaren Halbzylinder am Ende des Montierungskörpers auf der Polsucherhalterung. Der Halbzylinder trägt an seiner Stirnseite die Korrekturskala für die geogr. Länge und ein Fenster mit einer Zeitskala (von 18h über 0h nach 6h). Der Index der RA sitzt auf dem Montierungskörper. Der Index der Längenskala auf der Polsucherhalterung. Die Zeitskala liegt einer in dem Fenster zu erkennenden Monatsskala gegenüber, die ihrerseits fest am Montierungskörper sitzt. Beim Schwenk der Montierung (in RA) nimmt der Polsucherhalter den Zylinder mit und verstellt so die RA-Skala sowie die Zeitskala gegenüber der Monatsskala.

Bei der Saturn-Montierung liegen Zeit- und RA-Beschriftungen gegenläufig auf derselben Skala, die mit einer Klemmschraube am Montierungskörper gegen Verdrehen fixiert werden kann. Ihr gegenüber liegt die Datumsskala, die als RA-Index dient und sich beim RA-Schwenk mitdreht. Zur Korrektur der geographischen Länge (Abweichung Ortszeit gegen Zonenzeit) kann die RA-Skala auf dem Montierungskörper verdreht werden.

Mit den Problemen zu Polsucher und Skalenteilungen befinden sich viele Anfänger übrigens in bester Gesellschaft! Die Firma Vixen hat wohl zeitweise auch den Durchblick verloren. So wurde die Saturn-Montierung, man höre und staune, jahrelang mit einem falsch herum montierten Rektaszensionskreis ausgeliefert! Alle meine Vereinskollegen mit älteren Saturnmontierungen haben diese falsche Skala! Ich habe mein Ding natürlich sofort zerlegt, und die Skala umgedreht. Erst kurz vor Einstellung der "Saturn"-Produktion kamen die Teile korrekt montiert auf den Markt! zwischenzeitlich war man natürlich nicht faul und hat die Dinger mit einer Spezialanleitung ausgeliefert, die ähnlich wie in Punkt 2.3 beschrieben funktioniert.

Alles klar bis jetzt? Dann los!

2.1 Justierung des Polsuchers um die Drehachse

Der Polarstern kulminiert am 1.1. um 19:35 Uhr mittlere Ortszeit, d. h. er steht dann genau senkrecht über dem Pol. Im umkehrenden Polsucher liegt die kleine Kreismarke also genau senkrecht unten.

Vorgehen (am besten am Tage):

2.1.1 ggf. die Polsucherhalterung mit den drei Madenschrauben lösen und so drehen, dass bei senkrecht stehender Montierung, wenn die Längenkorrektur 0 ist, auch die RA 0 ist (dieser Schritt ist zwar praktisch aber nicht unbedingt nötig und auch nur an Montierungen möglich, wo man Datums- und Zeitskalen justierne kann).

2.1.2 Justierung: Die Längenkorrektur auf Null stellen und die Montierung so schwenken, dass der 1. Januar auf 19:35 Uhr steht.
Jetzt sollte der kleine Kringel für den Polarstern im Polsucher genau senkrecht unter dem zentralen Fadenkreuzmittelpunkt stehen (s. Abb. unten, linkes Bild). Wenn nicht, Polsucherschrauben lösen und Polsucher drehen. (Wasserwaage oder Senklot zur Kontrolle nehmen oder eine senkrechte Gebäudekante durch den Polsucher anpeilen! Das Stativ muss natürlich auch genau senkrecht stehen).

Bei den folgenden Schritten wird der Polsucher nicht mehr gedreht, sondern nur noch mit den Schräubchen in der Richtung justiert.

2.2 die Justierung des Polsuchers parallel zur Stundenachse

Und hier fängt die Maloche an: wenn man eine der Schrauben löst, schlabbert das Ganze in seiner Halterung. Deshalb habe ich an meiner Montierung für eine Schraube ein neues Gewinde geschnitten, und zwar genau rechtwinklig zu einer anderen und nach Möglichkeit parallel zu dem Fadenkreuz des Polsuchers. Die dritte Schraube erhält eine Druckfeder, damit der Polsucher nicht verrutscht, wenn die Schrauben locker sind. So kann man jede Achse des Fadenkreuzes für sich justieren. Soviel an Tips für Bastler, die zwar nicht unbedingt nötig sind, aber die Sache erleichtern...

Die eigentliche Justierung kann auch am Tage gemacht werden. Allerdings muss man dabei die Polhöhe fast auf 0 stellen, also die Montierung ziemlich flach legen, was nicht mit jedem Modell problemlos machbar ist. Dann nimmt man eine entfernte Turmspitze o. ä. als Referenzobjekt. Für die Justierung Nachts sollte man den Polarstern nehmen, denn der dreht sich nicht so flott weg.

In jedem Fall muss das Fernrohr für diese Justierung gut in der Waage liegen und auf einem wirklich stabilen Stativ ruhen! Also entweder mit Tubus und mit austariertem Gegengewicht, oder beides weglassen. Sonst verformt sich bei den Schwenks irgendwo etwas, und das ganze Opus war für die Katz!

Justierung des Polsuchers

2.2.1 Jetzt stellt man irgendein Objekt (Polarstern oder "Landmarke", z. B: Dachspitze, linkes Bild) zentral in das Fadenkreuz ein. Und zwar über Polhöhen- und Azimutverstellung des Montierungssockels, nicht mit den Justierschrauben des Polsuchers!

Dann schwenkt man die Stundenachse genau um 180 Grad. Danach steht das Objekt wahrscheinlich irgendwo neben dem Fadenkreuz (Bewegung z. B. blaue Linie, rechtes Bild)

Jetzt merkt man sich die Position des Objektes und bringt mit es mit den Justierschrauben des Polsuchers auf den halben Weg zum Mittelpunkt zurück (grüner Pfeil). Wenn die Abweichung z. B. 2 "Einheiten" nach oben und 1 Einheit nach rechts war, umstellen auf 1 Einheit oben und 1/2 Einheit rechts.

Diesen Schritt kann man im Prinzip auch für jede Fadenkreuzachse separat machen.

Jetzt die Stundenachse um 90 Grad drehen und wieder nach Schritt 2.2.1 gehen und das Ganze so lange wiederholen, bis sich das Objekt bei Schwenks nicht mehr aus dem Fadenkreuz wegbewegt!

2.2.2 Das war's (Stunden später... zzzz)!

2.3 Einstellung des Datums und der Zeit für Leute mit Montierungen ohne Uhrzeitskala (z. B. alte Polaris-Versionen):

In diesem Fall muss man als Zeitskala die RA-Skala benutzen. Leider läuft sie gegenläufig zur erforderlichen Zeitskala, so dass man einen Kunstgriff anwenden muss:

Anstelle das Datum auf dem Datumskreis mit der (leider nicht vorhanden) Uhrzeit zur Deckung zu bringen, muss man die (wenigstens bei der Saturn-Montierung vorhandene) Klemmschraube des RA-Kreises lösen und die Zeit (als Skala dient die RA-Teilung!) auf die Indexmarke am Montierungskörper stellen. Falls eine solche fehlt, können Sie einfach eine genau mittig auf den Körper aufkleben. Das Datum (Längenkorrektur beachten!) stellt man dann durch Drehung der Stundenachse auf die "0"-Marke des (Zeit-)RA-Kreises.

Alle anderen Schritte sollten wie in obiger Anleitung beschrieben durchzuführen sein.


3) Schnellausrichtung einer Montierung mit Polsucher

Einfach das die Uhrzeit auf das Datum einstellen und dann den Polarstern in den seitlichen Kringel des Polsuchers einstellen. Ganz eilige können auch das zentrale Fadenkreuz des Polsuchers nehmen. Dann spart man sich die Datumsrechnerei. Die Aufstellgenauigkeit ist für visuelle Zwecke ausreichend.

Zur Überprüfung der Polsucherjustierung sollte bei Schwenks der Montierung um die Stundenachse der Polarstern genau durch den großen Kreis im Polsucher laufen. Ggf. Nachjustierung bei Punkt 2.2.1


4) Schnellausrichtung einer Montierung ohne Polsucher

Man kann die Montierung natürlich auch ohne Polsucher und für visuelle Beobachtungen ausreichend nur mit den Teilkreisen (z. B. tagsüber) einstellen:

Voraussetzung: Der Deklinationskreis ist einmal richtig eingestellt!

4.1 Einstellung der Polhöhe:

das Fernrohr auf die Deklination einstellen, die der geographischen Breite entspricht. Dann mit der Polhöhen-Feineinstellung das Fernrohr genau in die Senkrechte stellen (Wasserwaage!). Grundgedanke ist, dass ein Stern im Zenit immer die Deklination der geographischen Breite hat. Ganz eilige können diesen Schritt evtl. auch weglassen.

4.2 Azimut einstellen:

Dazu braucht man ein Gestirn, dessen Kulminationszeitpunkt bekannt ist (z. B: Sonne, Kulmination mit PC vorher ausrechnen). Bei senkrecht stehendem Fernrohrtubus (Wasserwaage) eine Marke (z. B: Nullpunkt der Datumsskala) auf die aktuelle Uhrzeit am RA-Kreis (RA-Skala) einstellen. Dann das Fernrohr schwenken, bis Marke auf die Kulminationszeit auf der RA-Skala zeigt.

Jetzt eine evtl. vorhandene motorische Nachführung einschalten und das Fernrohr nach Teilkreis auf die Deklination des Objektes einstellen.

Wenn das Objekt nicht im Gesichtsfeld ist, und davon ist auszugehen, dann das Objekt mit der Azimut- und ggf. der Polhöhenjustierung mittig ins Gesichtsfeld bringen.

Das war's! Dieses Verfahren funktioniert leidlich genau und reicht für visuelle Anwendungen völlig aus. Damit habe ich jahrelang immer Venus am Tageshimmel gesucht und beobachtet.

Findige Tüftler können hier noch allerlei Varianten und Modifikationen erdenken, sie sind meist alle gleich gut.

Es gibt auch verschiedene Möglichkeiten, die Montierung nach Sternkonstellationen auszurichten. Für den Südhimmel eignet sich z. B. Dave Gordons Methode.


5) Ausrichtung einer Montierung nach Scheiner

Die mit Abstand die genaueste Ausrichtung einer Montierung ist die Justierung nach Scheiner. Sie ist für fotografische Langzeitaufnahmen bei längeren Brennweiten praktisch unumgänglich, jedoch etwas zeitraubend. Fest montierte Geräte in Sternwarten sollten auf diese Weise eingestellt werden. Empfehlenswert ist eine grobe Voreinstellung mit Polsucher oder Teilkreisverfahren (Punkt 4). Schneller geht es mit der numerischen Scheirn-Methode nach Knülle, wie unter 5.3 beschrieben.

Um sich fehlerträchtiges Umdenken zu sparen, sollte man auf Zenitspiegel hierbei verzichten!

5.1 Justierung der Azimutrichtung (Südrichtung)

Ein Stern nahe des Himmelsäquators wird bei seinem Meridiandurchgang im Fadenkreuz beobachtet. Weicht er im Laufe der Beobachtung nach Süden (im umkehrenden Fernrohr also nach oben) so steht der Fernrohrmeridian ("das Südende der Montierung) zu weit nach Westen, muss als nach Osten verstellt werden.
Den Schritt so lange wiederholen, bis kaum noch eine Abweichung stattfindet.

5.2 Justierung der Polhöhe

Ein Stern in etwa 20 - 30 Grad Höhe wird im Osten oder im Westen beobachtet. Weicht er bei Beobachtung im Osten im Laufe der Zeit nach Süden aus dem Fadenkreuz (also wieder nach oben im umkehrenden Fernrohr), so ist die Polhöhe zu flach eingestellt. Die Polachse also steiler einstellen und Schritt 5.2 wiederholen.

Ist die Polhöhe OK, noch einmal zurück zu 5.1 und Azimut korrigieren, danach Polhöhe feineinstellen, bis keine Abweichung mehr auftritt!

Das Ganze noch einmal als übersichtliche Tabelle langsam zum Mitschreiben. Sie gilt nur für Fernrohre ohne Zenitspiegel!

Beobachtung:

Stern im
Abweichung des Sterns im
aufrechtstehenden (terrestrischen)
Fernrohr
Abweichung des Sterns im
umkehrenden (astronomischen)
Fernrohr
Korrektur
Süden unten (Süden) oben (Süden) Azimut  (Südrichtung) nach Osten
Süden oben (Norden) unten (Norden) Azimut (Südrichtung) nach Westen
Osten unten (Süden) oben (Süden) Polhöhe steiler
Osten oben (Norden) unten (Norden) Polhöhe flacher
Westen unten (Süden) oben (Süden) Polhöhe flacher
Westen oben (Norden) unten (Norden) Polhöhe steiler

5.3 Quantitative Bestimmung des Aufstellungsfehlers

Schneller als mit der obigen "Probiermethode" geht es mit dem von Franz Kersche und Gerald Rhemann vorgestellten Verfahren. Um die Abweichung zu messen, benötigt man ein Messokular, z. B. das Micro-Guide-Okular. Eine genaue Beschreibung gibt Dr. Matthias Knülle, eine Excel-Tabelle bietet Ernst von Voigt an.QR-Code Scheiner

Dabei misst man zuerst einen Stern im Süden und bestimmt mit dem Okular die Abweichung nach Nord oder Süd in der Zeit t . Dann dreht man die Skala in Ost-Westrichtung und korrigiert die Azimuteinstellung um den folgenden Wert in Skaleneinheiten:

    Korrektur = 228.6 * f * sin (b - DE) / (t * cos (b))

mit f = gemessener Fehler in Skaleneinheiten, b = Geogr. Breite, DE = Deklination des Sternes, t = Messzeit in Minuten.

Dann korrigiert man die Polhöhe, indem man wieder den Nachführfehler in Nord- oder Südrichtung in der Zeit t bei einem Stern im Osten oder Westen bestimmt.
Zur Korrektur schwenkt man das Instrument zu einem Stern im Meridian (Süden) und korrigiert die Polhöhe so, dass der Stern um die angegeben Einheiten im Okular wandert:

    Korrektur = 228.6 * f / t

Diese Formeln und eine kleine "Stoppuhr" habe ich in mein Android-App "Scheiner Calculator" integriert. Damit kann man schnell und bequem mit dem Handy diese Rechnungen erledigen.

Wer mehr zur präzisen Aufstellung einer Montierung wissen will, dem seien die Seiten bei leq.one-arcsec.org ans Herz gelegt.


© Dr. Wolfgang Strickling, Drususstr. 15, 45721 Haltern am See. Tel: (0 23 64) 16 76 91

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