Fokussierhilfe für Astrofotografen

von Dr. Wolfgang Strickling

Dieser Text geht auf eine Publikation in Andromeda Nr. 1 / 1993, der Zeitschrift der Sternfreunde Müster, zurück.


Wer je einmal mit einem guten Teleskop genüßlich am Himmel spazierengesehen hat, der wird bald in sich den unwiderstehlichen Drang verspüren, das Gesehene im Bild zu konservieren. Neben einigen gerätetechnischen Schwierigkeiten stellt sich in der Astrofotografie das Problem der Scharfeinstellung. Was bei den üblichen Brennweiten von Fotoobjektiven kein Problem ist (Einstellung auf "unendlich" und knips!), funktioniert bei langen Fernrohrbrennweiten nicht mehr. Allein schon die Temperaturveränderungen während einer Nacht können wegen der Wärmeausdehnung des Tubusmaterials mehrmaliges Nachfokussieren nötig machen.

Wie fokussiert man aber richtig? In der einschlägigen Literatur gibt es da eine ganze Menge Patentrezepte. So erscheinen z. B. in der Zeitschrift "Sterne und Weltraum" alle Jahre wieder die verschiedensten Lösungsvorschläge, von denen einige nach dem Prinzip "Wie ruiniere ich am schnellsten meine Kamera?" funktionieren. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Scharfstellen nach dem Mattscheibenbild

Das klappt eigentlich nur zuverlässig, wenn die Mattscheibe ein Fadenkreuz mit Klarfleck hat, und wenn eine stärkere Sucherlupe als handelsüblich vorhanden ist. Es soll tatsächlich Leute geben, die so brauchbare Ergebnisse erzielt haben. Außer bei teuren Edelkameras (hierzu zählt sicher nicht die Vixen VC1 Astrokamera! Die ist nur hoffnungslos überteuert) ist das Bild bei normalen Mattscheiben ist das Bild in der Regel zu dunkel und außerdem zu klein; wer Geld und Ärger sparen will, wirft den Film lieber gleich in den Müll.

Manchmal klappt es mit der Scheinerblende: vor das Objektiv kommt eine Blende mit zwei Löchern am Rand (je max. ca. 1/3 Objektivduchmesser). Beim Fokussieren eines Sternes sieht man die beiden Löcher, wenn das Bild unscharf ist. Im Fokus verschwimmen beide zu einem scharfen Sternpunkt. Einen guten Artikel dazu hat Axel Martin in Spica geschrieben.

2. Scharfstellen mit separaten Einstellhilfen

Mit am genauesten ist die Messerschneideneinstellung nach Focault. Nachteil: Funktioniert nur an Sternen, und wer sich nicht eine extra einjustierte Fassung bastelt, der muß nachts mit irgendwelchen Rasierklingen an der aufgeklappten Kamera mit rückgespultem Film hantieren ;-) Viel Glück...

Profis nahmen statt der Rasierklinge einen plan geschliffenen Spachtel und kaufen sich einfach ein zweites Fotogehäuse nur zum Scharfstellen. Das ist sicher gut praktikabel und dürfte die genauesten Ergebnisse liefern. Man spart sich auch das Filmspulen, benötigt aber eine zweite Kamera...

Weitere Alternativen:

Ausnahmslos alle diese Hilfen sind nur im Dunkeln und an Punktlichtquellen, also Sternen, anwendbar.


Und was tun, wenn man nun ausnahmsweise mal keine Sterne, sondern Mond, Planeten oder die Sonne fotografieren will (soll vorkommen)? Dann wird es Zeit, sich ein Scharfstellokular zu besorgen. Das Prinzip ist einfach: in einer justierten Fassung mit dem gleichen Anschluß wie das Kameragehäuse ist ein kurzbrennweitiges Okular (f ca. 5 mm) befestigt. Zum Fokussieren wird die Kamera vom Teleskop genommen, das Okular eingesetzt, einfach das Bild scharfgestellt und dann bei unveränderter Einstellung die Kamera wieder aufgesetzt. Brillenträger sollten die Brille dabei auflassen. Wer kein fertiges Scharfstellokular  (Bezugsquellen s. unten) bekommt, nimmt ein einfaches 5 mm Okular und befestigt es fest in einer Okularfassung für Kameraobjektive oder in alten Zwischenringen. Alles bekommt man billig auf Fotoflohmärkten oder Astrobörsen. Justieren kann man das Ganze mit Hilfe eines normalen Fotoobjektives wie folgt:

Scharfstellokular auf ein Objektiv (am besten ein Weitwinkel) montieren, Objektiveinstellung auf die Unendlichmarke, ein möglichst weit entferntes Objekt anvisieren, das Okular so lange in der Fassung verschieben, bis das Bild scharf ist und dann das Okular ein für alle mal fixieren.

fokushlf.gif, 6 KB Schema der Fokussierhilfe

Nun kann man einwenden, daß das Auge ja akkomodationsfähig ist (Neudeutsch auch Autofokus), also keinen "Schärfepunkt", sondern einen Einstellbereich von 25 cm bis Unendlich hat. Ein eigentlich unscharfes Sternbild kann dann trotzdem scharf wahrgenommen werden. Der Einwand ist zwar berechtigt, aber die Anpassungsbreite eines gesunden Auges beträgt maximal 4 - 5 Dioptrien. Das macht bei einem 5 mm Okular (200 Dioptrien) höchstens 0,12 mm Unsicherheit aus.

(genaue Rechnung: 1/200 dptsoll - 1/(200 + 5) dptFehler = 0,12 mm).

Bei Blende 8 sind das nur 1/60 mm Unschärfe in der Filmebene (0,12 mm / 8), die kaum ein Film wiedergeben kann. Verbessern kann man die Genauigkeit noch, indem man immer vom Nahbereich, also von der maximalen Auszugslänge des Okulartriebes, in den Fokus hineinfährt. Dabei wird das Auge zuerst auf die "Unendlich"-Akkomodation beansprucht. Dieser Punkt ist am normalsichtigen, bzw. mit Brille korrigierten, Auge sehr genau reproduzierbar, denn er wird bei völlig entspannter Augenlinse eingenommen. Alternativ könnte man ein Fadenkreuzokular benutzen, damit ist man unabhängig von der Akkomodation des Auges, weil auf Fadenkreuz und Stern gleichzeitig eingestellt wird und beide im gleichen Sinn auf Sehfehler reagieren.

Nach meiner Erfahrung funktioniert das Verfahren hervorragend. Während ich früher unscharfe Mondfotos auf die Luftunruhe geschoben habe (damals habe ich nach Mattscheibe und Sucherlupe 5fach fokussiert), sind heute meine Fotos selbst bei mäßiger Luft vergleichbar mit den besten damals gewonnenen Aufnahmen! Einzig bei extrem langen Brennweiten in Verbindung mit Okularprojektion, z. B. bei Planetenfotos, habe ich noch meine Schwierigkeiten, denn wegen der dann zunehmenden auflösungs- und luftunruhebedingten Unschärfe des Bildes ist es nicht ganz einfach, den genauen Schärfepunkt zu finden. Alles in allem aber ist das eine einfache, preiswerte und genaue Möglichkeit, auf unscharfe Astrofotos in Zukunft zu verzichten. 

Mittlerweile gibt es auch fertige Scharfstellhilfen zum Kauf. Eventuell kann man nach Korrektur der Justage (s. o.) auch vorhandene kurzbrennweitige Okulare in den 1,25"-Anschluss einsetzen.


© Dr. Wolfgang Strickling, Drususstr. 15, 45721 Haltern am See. Tel: (0 23 64) 16 76 91

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Spica-Artikel von Axel Martin zur Scheinerblende
Heiko Niggemeiers Astrofotografie-Homepage

Weitere Links für Astrofotografen:
Heiko Niggemeiers Homepage Astrofotografie, sehr reichhaltige Informationen!
Stefan Becks Astrofoto-Seite (Astrophography with small Instruments)
VdS-Fachgruppe Astrofotografie (R. Sparenberg, nur aktuelle Bilder)
VdS-Fachgruppe CCD (von S. Kuhn)
Axel Martins TSO-Homepage mit Infos zu Astrofoto, CCD und Astrometrie

Das letzte Update dieser Seite war am 10.11.2010
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