Die Fliegenden Schatten bei einer totalen Sonnenfinsternis

von Dr. Wolfgang Strickling

English text


Am 21.06.2001 konnte ich in Simbabwe erstmals eine totale Sonnenfinsternis unter bestem Himmel erleben. Die unerwartet gut gelungene Aufzeichnung der Fliegenden Schatten hat mich im Nachhinein dazu angeregt, mich näher mit diesem interessanten Phänomen zu befassen und 2006 in Libyen mit etwas besserer Vorbereitung die fliegenden Schatten aufzunehmen.


GIF-Animation 40 kBfliegende Schatten Rechts: Kontrastverstärkter  und bildbearbeitete Standbildauszug aus dem Hi8-Video 18 Sekunden vor dem zweiten Kontakt, gefilmt von Dr. Andreas Dahm. Zeit = UT +2h
Ein höher aufgelöstes Bild ist durch Anklicken  des Bildes rechts zu sehen.
Links eine GIF-Animation in schwarzweiß.

Wir haben zur Beobachtung und Aufnahme der Fliegenden Schatten ein 1,4 x 2,4 m großes Tischtuch ausgebreitet und während der zentralen 10 Minuten mit einer feststehenden Videokamera gefilmt. Nähere Details, kurze Videos und Standbilder können von meinem Beobachtungsbericht vom 21.06.2001 und
vom 29.03.2006 (detaillierter) abgerufen werden.

shadow bands of 1870 drawing by Diamilla-MüllerLeider existierten bislang weltweit nur relativ wenige Fotos der Fliegenden Schatten. So musste selbst in vielen internationalen Publikationen nach wie vor eine Lithografie der Fliegenden Schatten der Finsternis vom 22.12.1870 aus Gela/Sizilien (damals Terranova) von Demetrio Emilio Diamilla Müller als Bildbeispiel herhalten, die lange nach der Finsternis aus dem Gedächtnis heraus aufgezeichnet worden ist (s. Abb. links, aus:  G.F. Chambers: The Story of Eclipses, 1900, Dank an Michael Zeiler. Aufs Bild klicken für größere Version).

Die Beobachtungsberichte und bisherigen Bilder zeigen übrigens, dass die englische Bezeichnung "shadow bands" = Schattenbänder eigentlich viel treffender als die etwas mystische deutsche Bezeichnung "Fliegende Schatten" ist.


Die wohl schlüssigste Theorie zur Entstehung der Fliegenden Schatten wurde von Codona 1986 publiziert [3] und wird mittlerweile von den Wissenschaftlern allgemein akzeptiert. Codonas Szintillationstheorie vermag auch subtile photoelektrische Beobachtungen gut zu erklären.

Nach Codona entstehen die Schattenmuster am Boden durch Interferenz von Lichtstrahlen, die bei ihrer Durchquerung der Turbulenzen und Dichtevariationen in der Atmosphäre einen etwas unterschiedlichen Weg genommen haben.

Die besten Beobachtungsbedingungen für solche Interferenzen können bei Punktlichtquellen erwartet werden. Je flächenhafter dagegen die Lichtquelle ist, um so unwahrscheinlicher wird das wahrnehmbare Auftreten solcher Interferenzen. Dennoch kann man an sehr heißen Tagen mitunter die sogenannten "Hitzewellen" auf homogen strukturierten Flächen beobachten, die prinzipiell nichts anderes als die Fliegenden Schatten sind. Bei einer Sonnenfinsternis allerdings ähnelt die schmaler und schmaler werdende Sonnensichel mehr und mehr einem Schlitz und nicht mehr einer flächenhaften Lichtquelle. Während eine Punktlichtquelle ein fleckiges Interferenzmuster erzeugen würde, wird das Muster, das die schlitzförmige Sonnensichel erzeugt, zu Bändern verschmiert.

Fliegende Schatten
                45 s vor C2 Fliegende
                Schatten 25 s vor C2 Fliegende
                Schatten 10 s vor C2

Oben: Fotos der Fliegenden Schatten 45 s, 25 s und 10 s vor dem 2. Kontakt, nach Bildbearbeitungen aus dem Video.

Verlauf des Bandabstandes mit
          der ZeitDer Abstand der Schattenbänder verringert sich zum zweiten Kontakt und vergrößert sich nach dem dritten Kontakt wieder. Meine Beobachtungen am 29.03.2006 können diesen Zusammenhang sehr gut wiedergeben.

Links: Die Schattenbänder verlaufen parallel zum projizierten Bild der Sonnensichel. Ihre Bewegungsrichtung wird stets rechtwinklig zu ihrem Verlauf wahrgenommen und resultiert aus der Windrichtung in den auslösenden Luftschichten. (nach B. W. Jones)

Rechts: Funktion der Wellenlänge der Schattenbänder von der Zeit

Die Orientierung der resultierenden Interferenzbänder verläuft demzufolge parallel zu einem projizierten Abbild der Sonnensichel auf dem Boden bzw. der Projektionsfläche. Die Schattenbänder verlaufen deshalb direkt vor bzw. nach der Totalität parallel zum Rand des Mondschattens. Im größerem zeitlichen Abstand von der Totalität stehen sie rechtwinklig zur Zentrallinie. Ein interessantes Experiment wäre die Aufnahme eines Videofilms, der solch ein projiziertes Sonnenbild mit den Fliegenden Schatten gleichzeitig zeigen würde! Berechnungung der
          Bänderorierntierung

Man sollte eine Ausrichtung der Schattenbänder auf einer horizontalen Ebene gemäß folgender Formel erwarten:
   Ab = As -90° + ArcTan (Tan (Pa) / Sin (e))

mit

Nach dieser Formel berechnet mein AstroWin und EclipseDroid die Orientierung der Schattenbänder. Hier oder auf die Grafik rechts klicken für die Herleitung der Formel. Für eigene Berechnungen an horizontalen oder vertikalen Flächen können Sie hier eine Exceldatei herunterladen.

Die Höhe, in der die auslösenden Turbulenzzellen in der Atmosphäre wahrnehmbare Effekte auslösen können, hängt von der Winkelausdehnung der Lichtquelle ab. Die erwähnten "Hitzewellen" können nur von Konvektionszellen wenige Meter über dem Boden erzeugt werden. Höher liegende Zellen mitteln sich gegenseitig weg, da die Sonne eben keine Punktquelle ist. Je schmaler dagegen die Lichtquelle ist, um so höher können die verursachenden Zellen liegen. So haben die für die Fliegende Schatten hauptsächlich verantwortlichen Konvektionszellen Höhen zwischen einigen hundert Metern zu Beginn der Sichtbarkeit bis zu wenigen Kilometern direkt vor dem zweiten bzw. unmittelbar nach dem dritten Kontakt.

Die Bewegung der Schattenbänder kommt durch Winde der verschiedenen Höhenschichten zustande. Die Bewegungsrichtung erscheint stets senkrecht zur Verlaufsrichtung der Schattenbänder, da man mit dem Auge Parallelverschiebungen der Bänder nicht wahrnehmen kann. Die Bewegungsgeschwindigkeit der Schattenbänder ist deshalb von der Windgeschwindigkeit abhängig! Bei Windstille werden sie sich kaum bewegen und deshalb nicht auffallen. Bei sehr starkem Wind ist die Bewegung so rasch, dass das Auge den kontrastarmen Strukturen nicht mehr folgen kann und deshalb auch nichts mehr zu sehen ist, obwohl Fliegende Schatten auch dann noch mit schnellen Photometern gut nachweisbar sind [4]. Optimal zur Beobachtung sind Windgeschwindigkeiten im Bereich von einem bis wenigen Metern pro Sekunde.

Codonas Szintillationstheorie erklärt auch einige der uns zunächst rätselhaften Beobachtungen von 2001:

Die Richtungsänderung der Fliegenden  Schatten entstand deshalb, weil unser Camp am 21.06.2001 nicht exakt auf der Zentrallinie, sondern ein gutes Stück südlich davon lag (Koordinaten 31° 01,45' Ost, 16° 24,90' Süd, 487 m ü. NN). Die Sonnensichel lag beim zweiten Kontakt annähernd parallel zum Horizont, nach dem dritten Kontakt dagegen war sie um 43° zum Horizont geneigt. Die Fliegenden Schatten verliefen demzufolge vor der Totalität etwa senkrecht zur Sonnenrichtung, danach waren sie gegen die Senkrechte um ca. 50° geneigt. Die Schattenbänder verlaufen vor und nach der Totalität nur dann in der gleichen Richtung, wenn der Beobachter sich exakt auf der Zentrallinie befindet. Entlang der Zone der "streifenden Finsternis" am Rand der Totalitätszone ist demzufolge eine Drehung zu erwarten. Vor allem die "streifenden Beobachter" sollten deshalb eine zusätzliche Kamera für diesen Effekt einplanen! 2006 in Libyen habe ich direkt auf der Zentrallinie beobachtet, deshalb war dort auch keine Richtungsänderung zu registrieren.

Die beobachtete Kontraststeigerung zur Totalität hin wird von der Theorie ebenso vorhergesagt wie die Verkürzung der Bandabstände von anfangs 30 cm auf ca. 10 cm kurz vor der Totalität.

Codonas Theorie erklärt auch die Voraussetzungen, die für eine optimale Sichtbarkeit der Fliegenden Schatten sorgen:

  1. Lange Sonnenfinsternisse sind günstiger für die Beobachtung der Fliegenden Schatten als kurze, denn die Sonnensichel ist bei einer kurzen Finsternis ungefähr halbkreisförmig und damit zu ausgedehnt (s. Abb. unten). Bei langen Finsternissen ähnelt sie einem idealen Schlitz weitaus mehr. Ringförmige Finsternisse erzeugen keine oder höchstens sehr kontrastarme, turbulente Schattenmuster. Letzteres konnte ich bei einem Experiment bei der ringförmigen Finsternis am 03.10.2005 in Spanien bestätigen. Dort waren keine Fliegenden Schatten zu sehen.
    Abb.: Simulation von Finsternissen in den letzten fünf Minuten vor der Totalität

    a) kurze 1-minütige Finsternis: die Sichel ist stark gebogen

    b) lange 7-minütige Finsternis: die Sichel ist eher schlitzförmig

  2. Eine absolut ruhige Luft ist ungünstig, da keine Turbulenzzellen entstehen. Faustregel: "schlechtes Seeing ist gut für Fliegende Schatten". Deshalb sind tief liegende Beobachtungsplätze auch günstiger als ein hoher Standort.

  3. Moderate Windgeschwindigkeiten bis in mittlere Höhen lassen die Fliegende Schatten gut sichtbar werden. Sehr starker Wind sorgt für so schnelle Bewegungen, dass das Auge nicht mehr folgen kann. Bei Windstille sind die Schatten weitgehend unbewegt und deshalb wenig auffällig.

  4. Ein niedriger Sonnenstand über dem Horizont erzeugt stärkere Kontraste als Finsternisse in Zenitnähe.

  5. Die Schatten sind maximal in den zwei Minuten vor und nach der Totalität bis zur Totalität sichtbar. Die meisten Beobachter sehen die Fliegenden Schatten jedoch nicht so lange, sondern am besten etwa 20 Sekunden vor und nach der Totalität. Während der totalen Verfinsterung sind keine Fliegenden Schatten zu erwarten.

Es sind auch einige Beobachtungsberichte überliefert, wo fliegende Schatten bei Sonnenauf- und Untergängen an Berg- oder Wolkenkanten beobachtet wurden. Die Geometrie ist dabei recht ähnlich wie die schmale Sonnensichel bei einer Sonnenfinsternis. Entscheidend scheint dabei eine gute Lufttransparenz und das Vorhandensein entsprechender Turbulenzen zu sein; die Entfernung der Schattenkante oder die Höhe über dem Horizont scheint weniger bedeutsam zu sein.


Meiner Ansicht nach kann man die Fliegenden Schatten anstelle der wellenoptischen Überlegungen Codonas auch mit der etwas einfacher nachzuvollziehenden Strahlenoptik erklären. Genauso wie das Bild, das ein Refraktor liefert, sowohl mit Hilfe der Wellentheorie des Lichtes als auch mit den klassischen Regeln der Strahlenoptik beschrieben werden kann.

Da die Turbulenzzellen in der Atmosphäre unterschiedliche Dichte haben, kommt es zur Brechung des Sonnenlichtes. Teile der Turbulenzzellen können so als Sammellinsen wirken und auf dem Boden ein reelles Bild erzeugen. Normalerweise, außerhalb einer Sonnenfinsternis, sind die Sonnenbilder so groß, dass sich die vielen Bilder, die von jeder einzelnen "Linse" erzeugt werden, zu stark überlagern und deshalb unsichtbar bleiben. Erst wenn die Sichel schmal genug ist und die Breite der erzeugten Sichelbilder in der Größenordnung der Turbulenzzellen liegen, kommt es am Boden zu Bildern mit wahrnehmbarem Kontrast. Auch hierbei überlagern sich die vielen Abbildungen so, dass die einzelnen Sichelbilder längs der Sichel zu Bändern verschmiert werden. Aus anderen Untersuchungen (die Codona auch für seine Arbeit verwendet) weiß man, dass die Turbulenzzellen, die für das Seeing verantwortlich sind, eine Größe von ca. 10 bis 20 cm haben. Aus diese Weise wird auch anschaulich, warum der Kontrast der Fliegenden Schatten mit schmaler werdender Sichel zunimmt und warum der Abstand der Schattenbänder mit kleiner werdender Sichel sinkt. Andererseits werden die Bänder nicht wesentlich schmaler als die Turbulenzzellen groß sind, weil mit schmaler werdender Sichel immer höhere Luftschichten Sichelbilder mit ca. 10 - 20 cm Breite  produzieren können.

Wenn man aus dem Bandabstand die "Brennweite" der "Linsen" berechnet, dann kommt übrigens man wie Codona auf Werte um einige hundert m bis 1 km.

Andere Theorien versuchten die Fliegenden Schatten durch Beugung des Lichtes am Mondrand zu erklären. Obwohl so ein Phänomen theoretisch zu erwarten ist und bei Sternbedeckungen auch schon nachgewiesen werden konnte, ist die Beugung des Lichtes (Fresnelbeugung) an der Entstehung der Fliegenden Schatten wohl nicht maßgeblich beteiligt. Der Abstand der zu erwartenden Beugungsringe liegt zwar auch im Bereich von Zentimetern bis Metern, aber das Muster würde sich mit dem Mondschatten bewegen, also extrem schnell mit etwa 1 km/s. Außerdem sollte es im Gegensatz zu den Beobachtungen zur Totalität hin breiter werden. Man kann auch nur ganz kurz (max. 1 - 2 Sekunden) vor und nach dem 2. und 3. Kontakt solche Beugungsmuster erwarten. Ich vermute auch, dass der Kontrast extrem schwach wäre, noch deutlich schwächer als die gemessenen 2-4 % bei den Fliegenden Schatten. Immerhin würde die Ausrichtung der Beugungsstreifen genau so wie nach Codonas Theorie verlaufen...


Beobachtungshinweise

Da das Phänomen der Fliegenden Schatten auch mit Amateurmitteln gut zu beobachten und aufzuzeichnen ist und auch von wissenschaftlichem Interesse ist, sollten sich Finsternisreisende stärker damit befassen und entsprechendes Equipment mit sich führen [4]. Bei der Fotografie sind Belichtungszeiten von höchstens 1/100 Sekunde anzustreben, um auch hochfrequente Variationen der Schatten nachzuweisen. Voraussetzungen sind eine lichtstarke Optik, eine sehr empfindliche und möglichst rauscharme Kamera, denn die Helligkeit um die Totalität herum beträgt mit ca 10 - max 100 Lux  nur ca. 1/1000 - 1/10000 der Mittagshelligkeit. Gut für Test von Equipment und zur Auswahl einer geeigneten Kamera im Vorfeld der Beobachtung eignet sich die fortgeschrittene Dämmerung etwa gegen Ende der bürgerlichen Dämmerung. Dann ist die Umgebungshelligkeit vergleichbar mit der bei einer totalen Sonnenfinsternis.

Equipment zur Aufnahme der fliegenden
        SchattenWegen der schnellen Änderung der Helligkeit um die Totalität sollte man unbedingt eine automatische Belichtungsregelung wählen und den Autofokus abschalten! Vor der Finsternis sollte man die Uhr der Kamera möglichst genau einstellen, am Besten nach einer Funkuhr oder nach GPS. Um die Aufnahmen später gut auswerten zu können, ist es ratsam, einen möglichst glatten und gleichmäßigen Untergrund von mindestens 1 x 1 m Größe, besser mehr, zu haben. Am einfachsten fixiert man ein Tuch mit Steinen. Sehr gut geeignet sind Aufhellschirme, die für wenig Geld im Fotohandel erhältlich sind. Zur besseren Auswertung empfiehlt es sich, die Steine in einem Rasterabstand von genau 50 cm zu platzieren. Zur Not können als Projektionsfläche Straßenoberflächen oder glatte Gebäudewände benutzt werden. Von Vorteil sind solche Beobachtungsaufbauten, die rechtzeitig vor der Totalität in Betrieb gesetzt werden können. Sonst besteht die Gefahr, dass der Beobachter im Trubel der Ereignisse die Messungen vergisst oder die Finsternis nicht mehr visuell genießen kann. Speziell bei Videoaufzeichnungen ist das problemlos möglich. Ich z. B. habe meine Kameras 5 Minuten vor dem zweiten Kontakt gestartet und dann einfach "laufen gelassen". Es ist ratsam, die Projektionsfläche so zu platzieren, dass man es bei der Finsternisbeobachtung direkt im Blickfeld hat. Dann braucht man sich nicht nach hinten oder zur Seite umzusehen und hat größere Chancen, die Fliegenden Schatten "zwischendurch" auch visuell wahrzunehmen. Viele Leute haben einfach deshalb keine Fliegenden Schatten gesehen, da sie von dem himmlischen Geschehen zu sehr abgelenkt waren, um auf den Boden zu schauen!Man sollte allerdings darauf achten dass keine Besucher zwischen Kamera und Projektionsfläche durchlaufen und so die Aufnahmen stören.

Interessante Standorte sind besonders die Zonen der "Streifenden Finsternis" am Rand des Totalitätsstreifens, da sich dort die Sonnensichel dreht und deshalb auch eine Drehung der Orientierung der Schattenbänder zu erwarten ist.

Zu den Beobachtungen sollte der visuelle Eindruck und möglichst detailliert  auch die Wetter- und Windbedingungen, speziell die Windrichtung und Zugrichtung der Wolken notiert werden. Neben den geografischen Koordinaten sollte die genaue Ausrichtung (wenn nicht eingenordet) und  ggf. die Neigung der Projektionsfläche notiert werden. Bei der Aufnahme mit einer Videokamera sollte zu Beginn und Ende der Aufzeichnung eine genaue Uhr oder GPS-Uhr gefilmt werden. Das erleichtert die spätere Auswertung der Zeit.

Video- und Bildbearbeitung

Die Auswertung der Aufnahmen ist nicht ganz einfach, denn die fliegenden Schatten haben nur einen sehr geringen Kontrastumfang von einem bis wenigen Prozent und die niedrige Helligkeit um die Totalität verursacht Probleme bei der Auswertung. Außerdem enthält selbst das Bild einer homogenen Projektionsfläche Helligkeitsvariationen von einigen dutzend Prozent. Auf einfachen Standbilder aus dem Video sieht man deshalb meist keine Schattenmuster, diese sind häufig nur im bewegten Bild erkennbar. Um dennoch Fotos aus der Videosequenz erstellen zu können, ist deshalb einiges an Bild- und Videobearbeitung erforderlich.

Für Standbilder ist es am einfachsten, die Einzelbilder einer etwa 1 Sekunden langen Videosequenz aufzuaddieren (z. B. mit GIOTTO), das Resultat als Negativ zu invertieren und mit 50% Transparenz einem der Einzelbilder der Sequenz zu überlagern. Das entspricht einer Subtraktion. Bewegte Strukturen mitteln sich dann zu einem mittleren Grau weg, so dass nur die bewegten Strukturen wie die Fliegenden Schatten oder begeistert umherspringende Mitbeobachter sichtbar bleiben. Für die Subtraktion einer ganzen Videosequenz muss man sich erst ein über den Zeitraum von etwa 1 Sekunde gemitteltes Video erstellen  (s. Screenshot links), das dann wie bei Standbildern invertiert wird und mit 50% Transparenz der Originalsequenz überlagert wird. Das Resultat kann anschließend gut mit weiteren Videofiltern (Rauschfilter, Kontrastverstärkung etc.) bearbeitet werden (Screenshot rechts). Zur Herstellung der gemittelten Videosequenz überlagere ich mit einer Videosoftware (z. B. Blender) auf 25 Videospuren die Originalsequenz, jeweils um 1/25 Sec (1 Frame) treppenartig versetzt. Die Transparenz der ersten Spur wird auf 0 % gesetzt, die der zweiten Spur auf 50%, die der dritten Spur auf 67% usw. Eine beliebige Spur i bekommt also 100% * (i-1)/i Transparenz mit i = 1 .. 25.
Um in der späteren Bildbearbeitung möglichst keine Artefakte zu  erzeugen, sollte man das resultierende Video möglichst umkomprimiert oder mit einem verlustlosen Codes abspeichern. Anschließend kann man vom Originalvideo das gemittelte Video subtrahieren und einen 50% Grauwert addieren, um ein neutrales mittleres Grau zu erhalten. Auch diese Operationen sind mit  Blender gut durchzuführen, meiner Erfahrung nach am besten mit dessen "Node Editor" (Screenshot rechts).

Ebenso sind mittlerweile gute fotoelektrische Beobachtungen mit Amateurmitteln möglich. Hierbei sollten Registrierfrequenzen bis 1 kHz angestrebt werden. Jones hat mit professionellen Arrays aus Fotodioden auf diese Weise gute Ergebnisse erzielen können [2]. Mit etwas weniger Aufwand kann man auch das Video analysieren. Die Software LiMovie ermöglicht die Helligkeitsmessung eines Punktes aus dem Video.

Zeit-Frequenzanalyse der Fliegenden Schatten vor dem
        zweiten KontaktZeit-Frequenzanalyse der
        Fliegenden Schatten nach dem dritten Kontakt
Von der erhaltenen Intensitätskurve kann man mit der Software SPECTROGRAM eine grafische Zeit-Frequenz-Spektralanalyse erstellen (nach Umwandlung der Messwerte von CSV in WAV-Dateien mit csv2wav). In den Grafiken oben  von der Finsternis 29.03.2006 ist gut zu sehen, dass sich die Fliegenden Schatten nicht kontinuierlich entwickelten, sondern dass auf starke Aktivität durchaus einige Sekunden mit nur geringer Aktivität folgen können. Beispielsweise trat 30 s nach dem dritten Kontakt (C3, rechts) eine solche Pause ein, bevor kurz darauf die Aktivität noch einmal deutlich zunahm. In der Spektralanalyse ist der Beginn der Aktivität übrigens schon 3 - 3,5 Minuten vor dem zweiten Kontakt nachzuweisen, deutlich eher als man es im Videobild erkennen kann.

Erfolgreiche Beobachtungen sollten möglichst auch im Internet publiziert werden!

Meine Videos von fliegenden Schatten auf YouTube:


Fliegende Schatten in den Wolken

Aufmerksame Beobachter und Fotografen konnten in den letzten Jahren des Öfteren fliegende Schatten in den Wolken beobachten. Zumeist zeigten sie sich in dünnen Wolken auf Fotografien des Brilliantrings, also wenige Sekunden vor dem zweiten bzw. nach dem dritten Kontakt. Das APOD vom 24.07.2010 oder vom 21.11.2012 sind Beispiele hierfür. Die Schattenbänder sind verhältnismäßig schmal, so dass sie vor allem auf höher aufgelösten Tele-Photos erkennbar sind. Genauso wie die Schattenbänder am Boden verlaufen sie parallel zur Ausrichtung der schmalen  Sonnensichel.

Literatur und Internetlinks:

  1. Codona, J, L: The scintillation theory of eclipse shadow bands. Astronomy and Astrophysics 164, 415 - 427 (1986).
    (Der "Originalartikel")

  2. Codona, J. L.: The Enigma of Shadow Bands, Sky and Telescope, 81: 482, (1991)

  3. James, Nick: Unusual shadow bands observed at the 2010 July 11 total solar eclipse. J. Br. Astron. Assoc. 120, 5, 2010
    (Bericht über Fliegende Schatten in den Wolken)
  4. Jones, Barrie W.: Shadow Bands Explanation

  5. Jones, Barrie W.:Shadow bands during the total solar eclipse of 26 February 1998,
    Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrical Physics 61, 965-974 (1999)

  6. Mein Beobachtungsbericht der Sonnenfinsternis 2001 aus Simbabwe mit Videos und Messwerten zum Download

  7. Mein Beobachtungsbericht der Sonnenfinsternis 2006 aus Libyen mit Analysen, Videos und Messwerten zum Download

  8. Mein Beobachtungsbericht der Sonnenfinsternis 2016 aus Indonesien mit Analysen, Videos und Messwerten zum Download
  9. Strickling, W.: Fliegende Schatten. Sterne und Weltraum (SuW) 42, 2/2002, S. 65-67

  10. Shadow Bands Bibliography in der SENL (solar eclipse Newsletter) Dec. 1998

  11. Bericht von Fliegenden Schatten bei Sonnenauf- und Untergang (auf englisch)

  12. Solar Eclipse Observing - Shadow Bands
  13. Weitere Filme und Fotos von Fliegenden Schatten:


"Fliegende Schatten" in anderen Sprachen


© Dr. Wolfgang Strickling, Drususstr. 15, 45721 Haltern am See. Tel: (0 23 64) 16 76 91

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Erstausgabe 20.04.2002.
Das letzte Update dieser Seite war am 17.09.2017

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